Freitag, 5. April 2013

Wo SIE fehlen, u.a. bei der CTM

Seit dem ich in Berlino lebe verfolge ich die "Arbeit" von den Sick Girls (eher noch von der Alex), um einiges genauer als früher. Vielleicht deshalb, weil relativ schnell klar wird, dass es Alex nicht nur um´s Pop Biz – inklusive ihrem unermüdlichen featuren jedweder musikalischer Neuheiten (mit einer wohltuenden Kontinuität für das Genre Grime) – geht, sondern auch um Politik im/durch das Pop Geschäft. Wobei ich es auch schon als eine Form der Politik bezeichnen würde, die Wiederholung des Immergleichen in der Popkultur abzulehnen. Aber es geht auch noch konkreter.
Zum Beispiel bin ich über Alex auf einen Link bzw. Kommentar kurz nach der CTM (Club Transmediale) aufmerksam geworden, der zu einer Kritik führte, die die geringen (eher verschwindend geringen) musikalischen als auch theoretischen Positionen von Künstlerinnen während der CTM bemängelte.
Alexs Hinweis halte ich gerade vor dem Umstand für bemerkenswert, dass sie zu den wenigen Frauen gehörte, die es in das Programm der CTM geschafft hatten. Wer also den durch und durch schäbigen Einwand auf Tasche hat – "Hier würden sich bloß diejenigen erregen, welche sich ungerechtfertigter Weise übergangen fühlen!" – irrt nicht nur, sondern gehört zu eben jenen Ewiggestrigen, die ihren Kopf in einen Koffer tun können und bei nächster Gelegenheit über eines der Brückengeländer des Landwehrkanals oder jedem anderen fließenden Gewässer werfen sollten. Denn Mann (aber auch leider so manche Frau) könnte sich durchaus ernsthafter jener Kritik annehmen.

Dies hat vor wenigen Tagen Henning Lahmann hier noch einmal getan. (Worauf ich ebenfalls durch Alex aufmerksam wurde) Und auch mir ist das Thema wichtig genug, es zumindest kurz anzureißen. 
Denn am Beispiel CTM lässt sich ganz bestimmt der strukturelle Charakter von Benachteiligung bezüglich des Geschlechts innerhalb der (alternativen) Popkultur darstellen. Insofern ist es nicht notwendig mit ausgestreckten Finger auf die Veranstalter zu zeigen, sondern – wie bisher geschehen – zu fragen: "Hey, wie haltet ihr es eigentlich mit der Geschlechterungleichheit in eurem Laden?" Denn so ein Laden hat ja auch ein Verkaufs- und ein Arbeitsraum (Vorder- und Hinterbühne). Vermutlich würde recht schnell deutlich werden, dass der Frauenanteil im administrativen Stab der CTM gar nicht so gering ausfällt. Damit wäre aber nicht der generelle Vorwurf Frauen seien auf der CTM benachteiligt entkräftet. Vielmehr würde dieser Umstand den zweifachen Charakter der Benachteiligung deutlich machen, nämlich das Frauen – dort wo sie arbeiten – auch noch die Stellen besetzen die weniger Prestigeträchtig sind. Jedenfalls, wer die Zahlen im oben genannten Artikel gelesen hat schweigt vmtl betreten und schaut beschämt zu Boden.
Die Kritik dieser Zustände, hat aber auch für mich eine gewisse Fallhöhe. Auch bei Henning Lahmann klingt dies an. Denn ich, wie vmtl. auch er, sind mit zwei (Neben-)Widersprüchen konfrontiert.
Zum einen, weil wir als schreibende Männer gleichfalls jener patrichalen Logik entsprechen. Weil wir einerseits einen Raum besetzen (Über die Reichweite oder Größe des von mir beanspruchten Raumes, mag Mann als auch Frau sicherlich müde lächeln können.) und zudem auch noch eine quasi paternale Position einnehmen.
Zum zweiten und für mich vermutlich das vertracktere Problem, die Kritik bezieht sich auf ein Tätigkeitsfeld, in dem ich selber ein Arbeitsfeld sehe. Schließlich ist das CTM eines der raren geförderten und zumindest mit einem kritischen Selbstverständnis ausgestatteten Institutionen dieser Stadt. Und wie sagt Brecht so schön: Erst kommt das Fressen, dann die Moral.
Leider wird dieses Zitat viel zu häufig selbst als eine Form der Moral mißinterpretiert. Für die eigentliche Aussage halte ich den Sinn, dort wo für alle gesorgt ist, lässt sich vlt. nicht Konfliktfrei aber in jedem Fall Konfliktärmer leben.
Die Problematik stellt sich also definitiv komplexer dar, als dass sie bspw. durch Petitionen oder Kritiken alleine zu lösen wäre.
Sehr hilfreich fand ich den Verweis auf das FrauenNetzwerk female:pressure. Mir war dieses bisher nicht geläufig. Auch, so hoffe ich, weil ich mich nie professionell als Booker betätigen musste. (Als Genre fehlt übrigens noch Breakcore ;-)
Aber eines ist eben auch klar, mit dem Angebot kommt sicherlich nicht die Nachfrage allein. Und deshalb bleiben die Sick Girls auch ein Beispiel dafür, seine Angelegenheiten selber in die Hand zu nehmen und Veranstaltungen zu organisieren. Wieder den Hindernissen von Bookern und Ladenhütern. Viva Sick Girls!

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